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| Nicole Clemens (M. Sc.) | Kultur | New Work | Entwicklung

Zukunftsdepression VUCA? Mach‘ was daraus!

VUCA, ein Akronym, dessen Schlagworte als Zustandsbeschreibung der aktuellen Welt dienen sollen.


volatility ‚Volatilität (Unbeständigkeit),
uncertainty ‚Unsicherheit‘,
complexity ‚Komplexität‘ und
ambiguity ‚Mehrdeutigkeit‘.


Die gewählten Worte haben einen pessimistischen Beigeschmack, was bestimmt nicht nur an dem militärischen Ursprung der Kreation liegen wird. Es klingt kompliziert, strategisch ungreifbar. ‚Unsicherheit‘ lässt auf gefährliches und unwegsames Zukunftsgelände schließen. All das hat nicht gerade den Esprit von Zuversicht oder Wandelmut. Doch kommt diese pessimistische Laune vielleicht aus unserer persönlichen Perspektive?


Eine aktuelle Grundlagenstudie zum Stimmungs- und Zukunftsbild in Deutschland des geschätzten psychologischen Rheingold Instituts in Köln [1] bestätigt das Gefühl der Verunsicherung über die Zukunft. Es ist ein dominant vertretenes Phänomen. Ergo, das ›pessimistische Zukunftsbild‹ ist kein Einzelphänomen. Die in Deutschland Lebenden haben einen verstellten Blick für Möglichkeiten und Hemmungen, Zukunftsträumereien für weiterliegende Pläne zu entwickeln. Leuchtende Visionen haben zunehmend einen zähen grauen Nebel und verlieren dadurch Auftrieb. Die umfangreiche Studie spiegelt uns, dass wir uns auf Veränderungen nur in kleinen Schritten mit der Strategie des ‚Auf-Sicht-Fahrens“ einlassen können. Ein Wechselbad der Gefühle zwischen paradiesischen und pessimistischen Szenarien unterstreicht die ungreifbare Komplexität der Gegenwartsherausforderungen.

Jede Krise birgt nicht nur Gefahr, sondern auch Möglichkeiten.
Martin Luther King

Dass eine pessimistische Stimmung dazu führt, Hemmungen zu haben, in Entwicklungen, ins Umsetzen, ins Kreativwerden zu kommen und schaffensfreudig an Veränderungen heranzugehen, klingt nach einer logischen Konsequenz. Als Psychologin gehe ich natürlich auf Perspektivsuche, wie wir uns aus diesem Dilemma wieder herausbewegen können. Bleiben wir mal bei dem allseits beliebten VUCA-Begriff, der gerade im Unternehmenskontext fleißig umher brummt. Welche Ansichten und Lesevarianten von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität gibt es denn noch? Ließen sich vielleicht auch Varianten finden, die wir nicht automatisch mit schwerem, ungreifbaren, komplizierten, nebeligem assoziieren? Im Optimalfall sogar einen Lösungsvorschlag unterbreiten?

Für den Schritt der Lesart und Perspektiven sehen wir uns die Buzz-Akronym mal genauer an. Vor ein paar Jahren hat Bob Johansen eine Lesart gefunden, die er selbst als „positive VUCA“ bezeichnet[8]. Diese Version möchte ich hier etwas aufgreifen und dich dazu inspirieren, Zusammenhänge zu sehen und dir erste Anregungen für eine aktive Umsetzung geben.

Volatility - Vision

Volatilität. Diesen Begriff kennt man schon aus dem Finanzwesen, den Aktienkursen, der Informatik oder Ähnlichem. Es ist schwankend. Kann flüchtig oder labil sein. Etwas Temporäres, Veränderliches. Beweglich und unstetig. Logischerweise ist das Gegenteil: stabil, gleichbleibend. Dieser Begriff soll vor allem die Transformation der Gesellschaft beschreiben. Innovationszyklen werden kürzer, durch die Globalisierungen zerfließen die Grenzen, Märkte können sich sehr schnell verändern und auch Kunden und Wettbewerber sind variabler. All dies bietet auch Vorzüge.

Das Problem ist ein genauso schwankendes Hin und Her. Haben wir zu starre Strukturen, könnte dies schnell das Aus bedeuten, da wir unser Business nur langsam auf die Einflüsse von außen anpassen können. Denn dann verfehlt das Ziel den Sinn. Gestalten wir aber alles superflexibel, ändert sich meine Topic im Arbeitsalltag mit jedem Trend. Das macht mürbe. Denn bis die Neuerung bei jede:m angekommen ist, kann es schon wieder zu spät sein. Man stumpft ab, sitzt aus was man nicht möchte, denn das nächste Thema kommt bestimmt.

Die Lösung ist also eine konstante Ausrichtung zu finden, die sich auf einer Ebene befindet, die sich nicht so schnell verändert. Also vor allem Zeit- und Trend-Unabhängiger ist.

Hier hilft es, eine Vision zu haben. Diese dient als klare Laufrichtung mit einem stabilen Wertegerüst. Eine gute Vision kann Verankerung in der Unternehmenskultur finden und damit Sicherheit schenken wenn‘s mal wacklig wird. Wenn sich die Vision allerdings jedes Jahr ändert, kann der Glaube an das Unternehmen genauso wacklig werden, wie sich die Umgebung verändert. Die Folge, man hat Probleme, an Board zu bleiben, Stichwort: Fluktuation, Employer Branding, fehlende Leitplanken in der Führung, etc. Die Erfahrungen, wie das Unternehmen mit Risiken von außen umgeht, prägt die Unternehmensgemeinschaft. Verbinden wir es mit der Rheingoldstudie. Mit der Vision schaffen wir uns unsere gemeinschaftliche Zukunftsvision, nach der es sich lohnt zu streben.

Um so etwas in die Umsetzung zu bringen, gibt es auf dem Markt unzählige Vorschläge. Strategie-Workshops oder Studien, die der Unternehmenskultur die beliebtesten Werte bringen sollen. Musterförmchen der Unternehmens-DNA und „Best Practice“ Fälle, die versucht werden, wie am Fließband zu reproduzieren. Da es bei einem Selbst geklappt hat, kann der eigene Wandlungsprozess auch gleich als Unisize weitervermarktet werden. Die Auswahl scheint schier unendlich. Doch stellen wir uns die richtigen Fragen, bevor wir Geld ausgeben! Ist Kultur so einfach reproduzierbar und übertragbar? Sind Appell-Anweisungen nachhaltig lebbare Werte? Wie gut lernen wir durch Kommunikation und Entscheidungen anderer? Wenn wir ein festes Fundament benötigen, dann ist unser Startpunkt das aktuelle Fundament. In einer Standortbestimmung wird analysiert, was ist schon da, was hat Risse und wie bekommt man die Ursache der Risse in den Griff. Was kann man machen, um das Fundament zu stärken, auszubauen und was trägt unser Unternehmen in die Zukunft. Wenn du nicht weißt, was du hast, kannst du nur mit dem Gießkannenprinzip gucken, was vielleicht wirkt, und das kann richtig teuer werden. Erst in weiteren Schritten wird der Weg zum Ziel gestaltet.

The present is so noisy that it is very difficult to listen for the future. It is so easy to get stuck in categories of thought that are grounded in the past but ignorant of the future.
Bob Johansen [2]

Uncertainty - Understanding

Unsicherheit. Dieses Wort ist im normalen Sprachgebrauch zu finden, aber ebenso unbeliebt, da wir nach Sicherheit streben, wie wir spätestens nach der Maslowschen Bedürfnispyramide[4] wissen. Es trägt so viel Zweifel, Unbestimmtes, Unzuverlässiges, Vages und Unberechenbares. Unberechenbar in einer von der Betriebswirtschaft geprägten Welt, in der wir am liebsten alles berechnen, mit KPIs Sicherheit und Klarheit schaffen wollen, unsere Schritte mit Smarten Helferlein zählen und ohne ein berechenbares Ergebnis viele Dinge gar nicht erst beginnen.

Hier klingt das Problem schon etwas an. Dieser Versuch der Objektivierung ist dennoch von unseren Interpretationen und unseren subjektiven Handlungen und Einstellungen geprägt. Verstehen wir unsere Hürden besser, nur weil sie in Zahlen auszudrücken sind? Manchmal, bei Dingen, die auch wirklich zahlenrelevant sind. Seit dem der Homo oeconomicus widerlegt ist, müssen wir uns aber schmerzlich eingestehen, dass wir nicht immer ganz so vernünftig und rational sind, wie wir es gerne wären. Das zu akzeptieren und mit einem ausgeglichenen Menschenbild zu betrachten, bringt uns zu wiedergewonnen Möglichkeiten.

Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie
Erste Bundesminister für Wirtschaft Ludwig Erhard (1897–1977)

Eine Lösung der Unsicherheit kann das Verstehen (Understanding) bieten. Das bedeutet den Umweg über die Zahlen hin zum eigentlichen Austragungsort zu gehen. Sich involvieren lassen, aktiv zu zuhören, sich mitzubewegen, Perspektiven teilen, die Story des Users zu verstehen. Gleichermaßen: Verstehen vermitteln also in Zusammenhängen verständliche Kommunikation betreiben zu können. Verstehen und Verständnis schaffen bedeutet, Menschen ins Boot zu holen, zu vertrauen, um gemeinsam eine Herausforderung auch mal mit unterschiedlichen Methoden zu meistern. Ein forschendes Mindset, das mit „Vorläufigem“ und „sich noch Wandelndem“ umgehen kann. Ein mutiger Experimentierrahmen mit einer gesunden Fehlerkultur bietet die innere Sicherheit. So bleiben wir auch auf unsicherem Gelände in Bewegung und verfallen nicht in Schockstarre.

Pausen sind keine unproduktive Zeit. Wir brauchen sie, um das zu tun, was andere nicht können: Informationen sichten, verstehen, neu ordnen und dann mit frischem Schwung weitermachen.
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Umsetzung kann hier die diverse Zusammensetzung von Teams und der Aufbau von Verlässlichkeit sowie Vertrauen bieten. Die Belastungsfähigkeit und Resilienz von gemeinschaftlichen Beziehungen fördert die innere Sicherheit. Diversity wird manchmal mit Diskriminierung zusammengedacht, dabei fällt der Cross-functional-Teil unter den Tisch. Es geht darum, Kräfte zu bündeln. Hat man ein divers aufgestelltes multidisziplinäres Team, das auch den Reifegrad erreicht hat, diese Unterschiedlichkeit als Stärke proaktiv nutzen zu können, hat man eine sehr gute Basis. Denn die diversen Strukturen bringen auch die unterschiedlichen Strategien, Lesarten, Befähigungen, Wissen, Ideen für äußere Einflüsse mit. Hier ist eine gute Begleitung und Entwicklung sowohl methodisch wie auch im Team und auf persönlicher Ebene das A und O. Flexible Führungskräfte mit einem Leadership-Verständnis können hier die variierbaren Unterschiedlichkeiten gut betonen, unterstützen und helfen zu justieren. Denken wir beispielsweise an eine Forschungsexpedition, da haben wir doch lieber viel unterschiedliches Wissen dabei, statt nur ein Fachgebiet abzudecken. Wenn meine Erfahrung im Team und zu den Leader:innen dann noch davon geprägt wird, dass auch bei Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten die Beziehungseben stabil und verlässlich bleibt, können auch Innovation und Ideen sprudeln. [3]

Complexity - Clarity

Komplexität. Zeichnet sich durch Vielschichtigkeit aus, die meist unübersichtlich und manchmal wie ein Ungeheuer daher kommt. Gewisse Themen werden gemieden, denn hier ahnen die Beteiligten, wenn man an einem Ende zieht, hat man plötzlich eine riesige Baustelle vor einem, dessen Zeit und Kraftaufwand nicht zu beziffern ist. Das Problem: Unausgesprochen und unbearbeitet sitzt da also nun der sprichwörtliche rosa Elefant. Wir müssten vielleicht endlich mal, aber so recht will dann doch keiner, weil es kompliziert werden könnte.

Vielleicht wäre die Lösung auch auf die Zusammenarbeit von mehreren angewiesen und wird daher gescheut. Auch beliebt der alte Glaubenssatz: ‚never change a running system‘.

Komplexe Strukturen sprengen schnell das Routinegeschäft und haben dann auch noch viel mehr Wagnis. Hier muss man schon fest im Sattel sitzen, um alle Erwartungen und Befürchtungen auszuhalten. Warum? Einfache Ursache-Wirkung-Mechanismen sind in der Globalisierung immer schwerer zu finden, ein dicht verwobenes Geflecht an Strukturen, längere Wege, verstreute Verantwortungen machen es schwer, die Folgen abzusehen und mögliche Rückkoppelungen zu erkennen.

Begegnet man der Komplexität mit Klarheit, machen wir einen Schritt zur Lösung. Klarheit bedeutet aber nicht automatisch Sicherheit. Es bedeutet viel mehr, sich darüber im Klaren zu sein, dass es noch viele ungeklärte Punkte gibt, dessen Zeit und Kraftaufwand noch nicht feststeht. Sich über die ungewissen Herausforderungen im Klaren zu sein und sich diesen zu stellen, das ist der Punkt. Klarheit und Gewissheit liegen manchmal eng beieinander, doch so sicher sich Gewissheit anfühlt, so sehr ist es auch ein unbewusster fühlender Mechanismus, der mitgedacht werden sollte im Mindset. Es ist viel mehr ein sich einlassen auf einen iterativen Prozess, wie wir ihn beispielsweise aus der IT kennen. Normale Wasserfall-Prozesse können hier schnell scheitern, da der Ausgangspunkt oft noch nicht klar oder final zu greifen ist.

Damit ließe sich auch die aktuelle Beliebtheit von Frameworks begründen. Fertige Konzepte geben erst mal Strukturen vor Linien, an denen man sich orientieren kann. Ein Startpaket an Rhythmiken und Ritualen. Damit sind wir schon bei den ersten Anregungen für eine Umsetzung. Ändern sich Dinge um uns herum, müssen wir unsere Lösungen ebenfalls anpassen. Doch Lösungen und Klarheit beinhalten nicht nur pragmatische Dinge. Unsere innere Haltung und Einstellung zu den Dingen muss Gelegenheit bekommen, sich zu aktualisieren - zum Beispiel in einem Business-Coaching. Anders ausgedrückt: Ändert sich die Hardware, muss man auch mal die Software updaten, um alles nutzen zu können. Die eigene Selbstwirksamkeit in der Komplexität wieder zu spüren, ist an Themen wie Resilienz und Empowerment geknüpft, denn wer schon unter Druck ist, funktioniert nicht noch mit mehr Druck besser, im Gegenteil - da ist schnell die Luft komplett raus. Um ein Auge für Klarheit, also die zentralen Aspekte und Muster in der Komplexität zu bekommen, sollten wir ressourcenbewusst im Außen und Innen umgehen. Tragfähige Beziehungen, die uns versuchen lassen, Risiken zu adressieren und den Prozess regelmäßig nach zu justieren. Dann können auch neue Erkenntnisse berücksichtigt werden. Ist die zwischenmenschliche Zusammenarbeit schon schwierig, haben wir schnell keine Kapazitäten mehr für die iterative Aushandlung der Sachthemen. Auf der Ebene der Unternehmenskultur ist die Betriebsblindheit und das Silodenken von Abteilungen Sand im Getriebe für mehr Klarheit. Wir werden nicht auf neue Lösungen kommen, wenn wir in der immer selben Suppe rühren. Diese Change-Dynamik muss sich in den Alltag und die Routinen integrieren. Das geht nicht alles auf einmal, aber Schritt für Schritt. Wie das noch gehen kann? Spreche mich gerne an.

Life can only be understood backwards, but it must be lived forwards.
Søren Kierkegaard

Ambiguity - Agility

Ambiguität. Dieses in Mode geratene Wort steht für den Doppelsinn bis hin zur Mehrdeutigkeit. Mit dem Songtitel von Gershwin umschrieben: It ain’t necessarily so - es kann also so, aber auch anders sein[6].

Dabei sollte betont werden, dass es noch nie nur eine einzige Sicht auf ein Phänomen, eine Norm, eine Lebensform, ein Objekt, eine Doktrin, einen Text, eine Kalkulation gab. Auch pragmatische physische Auswahlen sind über Zeit gewachsen, von Produkten über Hersteller, Marken, Unternehmen, Start-ups – es herrscht mehr Multi als Mono. Das klingt etwas trivial, allerdings scheint diese Trivialität überraschenderweise gerade äußerst erwähnenswert.

Das Charakteristikum für das Ambiguitätsproblem in der VUCA Welt steht für ein Entscheidungsdilemmata. Mehrere Lösungen, die jeweils Vor- und Nachteile mit sich bringen oder gegensätzliche Informationen, die dennoch jeweils richtig sein können oder eben auch nicht. Von simplen Binäritäten, Gut-Böse-Einteilungen und dichotomen Schwarz-Weiß-Denken haben wir uns größtenteils weiterentwickelt, was natürlich auch viele gute Seiten hat. Doch damit wachsen die Herausforderungen an unseren organisationalen Aktionsradius. Projekte, die über Jahre geplant sind, können neue vielversprechende Technologien gar nicht mehr nutzen, weil sie so in dem Prozess gefangen sind. Disruptive Technologien und Businessmodelle können den Markt schnell verändern und Covid19 hat uns ebenfalls bewiesen, wie schnell der Wind drehen kann und wie wichtig Flexibilität in Unternehmen ist.

Als eine Lösung schlägt das Modell von Bob Johansen die Agilität vor. Welche meiner Meinung vor allem mit der Vision zusammengedacht werden muss. Als einzelne lose Tätigkeit kann es sonst Chaos stiften. Ankern wir unser Mindset auf das Unstetige als Stetiges, dann haben wir viel gewonnen. Frameworks helfen uns als Starter, denn viele unserer Prozesse haben sich über Jahre aufgebläht. Es scheint manchmal so, also seien sie mit der komplexen Realität mitgewachsen und inzwischen mehr Last und Pflicht geworden. Hier brauchen wir den Mut, die einst gut bewährten und jahrelang gehegten und gepflegten Formulare, Prozesse, Routinen auf den Prüfstand zu stellen. Nostalgischer Wehmut schwebt hinter dem Wind of Change.

Veränderung. Change. Change. Change. Optimierung. Omnipräsent, wo man nur hinsieht.

Damit wir nicht nur noch von Change-Projekt zu Change-Projekt taumeln und darauf warten, dass wir endlich fertig gechanget haben, muss die Veränderung als etwas Natürliches in den Alltag integriert werden. Die Sehnsucht nach Abgeschlossenheiten und Fertigem ist ganz und gar menschlich. Die Balance von Bewahren und Verändern zu halten wird ein wichtiges Führungsmoment, ebenso wie darauf zu achten, dass man statt Fertig-Sein, Haltepunkte zelebriert, nach denen es weitergehen kann. Damit sind wir dann schon bei den ersten Anregungen für eine Umsetzung.

Zelebrierung von Übergängen sind urmenschlich. Geburtstage, besondere Lebensabschnitte werden in sehr vielen Kulturen gefeiert. Die Lösung: Mehr Betriebsfeiern - wäre wohl die schönste, nicht wahr? Verfehlt dann aber leider doch den Impact etwas.

Kehren wir den Alltag um und erleben wir den Change dadurch als natürlichen Zustand, ergibt sich daraus das nächste zu lösende Dilemma: Uns fehlt das Gefühl mal fertig zu sein und wir würden im Dauerlauf heiß laufen. Ergo wird genau das zu unserem neuen „Projekt“: Dieses Fertiggefühl als Etappen-Fertig-Sein herzustellen. An dieser Stelle sind Rituale, Feiern und gemeinschaftliche Huldigungen der Früchte der Arbeit im sinnvollen Framing nützliche Helfer.

Das ist aber noch nicht alles. Denn auch das Zu-Grabe-Tragen alter, lang gehegter Prozesse, Dokumente etc. darf mit einer letzten Huldigung um die ganzen Stunden an Arbeit, Freude, Schweiß und Tränen laut verabschiedet werden. Das hat zudem gute Kommunikationseffekte. Zu oft erlebe ich, dass in stressigen Situationen oder lange nach einer Umstellung verdeckte doppelte Pflege betrieben wird oder gar Altes wiederbelebt wird. Das ist ein völlig normaler Notmechanismus, den wir auf dem Schirm haben sollten – gerade als Leader:innen. Bei Agilität gilt genau dann, eine tragfähige Zukunftslösung zu finden und nicht die alten Muster abzuspulen.

Auf die Rekonfiguration kommt es an, denn das sind dynamische Fähigkeiten eines Unternehmens, wie wir sie zum Beispiel aus der Dynamic-Capabilities-Theorie kennengelernt haben. Regelmäßige Feedbackschleifen, das Umfeld scannen, die User-Storys verstehen, R & D [7], das sind Tools, um aktive Entscheidungen in der Veränderung treffen zu können. Denn es geht nicht mehr darum, passive Zukunftsprognosen zu erstellen, die wir dann um alles in der Welt treffen. Nun ist es an der Zeit, die Zukunftsziele aktiv zu gestalten, dann kommt der Sinn von ganz allein.

Du kannst keine Fortschritte machen, ohne Entscheidungen zu treffen.
Jim Rohn

VUCA ≠ VUCA

Bei so viel Dynamik in der Welt benötigen wir die richtigen Methoden, um die Zusammenhänge und Geschichten, wie sie passieren, in den Blick zu nehmen. Psychodynamische Methoden, die Bewegungsprofile erfassen können. Methoden, die auch Hoffnungen und Befürchtungen betrachten können, die das Hier und Jetzt beeinflussen. So sehr vielerorts angepriesen wird, im Hier und Jetzt und im Moment zu leben, so kleben Vergangenheit und Zukunft an uns Menschen. Das ist ok. Denn wir wollen ja nicht alle Fehler noch mal machen und wir wollen auch keine geschichtslosen Roboter sein, die keine Wünsche an unser Morgen haben.

Die Balance zu finden ist dabei etwas sehr Pragmatisches, woran wir jederzeit arbeiten können.

Ankern wir unser Mindset auf das Unstetige als Stetiges.
Nicole Clemens

First-Aid-Question-Pool

Reflektiere in einem diversen Team aus Freiwilligen folgende Fragen, um eine erste Orientierung zur Haltung im Unternehmen für die zeitgemäße Haltung und Resilienz im Bezug zur VUCA-Welt zu erhalten.

  • In welcher Hinsicht hast du dir über VUCA schon Gedanken gemacht?
  • Welche Früchte haben deine Überlegungen getragen?
  • Welche Chancen und Ressourcen können für dich daraus entstehen oder bringst du schon mit?
  • Welche neuen Tools hast du, um mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität umzugehen?
  • Welche Herangehensweisen im Mindset kannst du schaffen?
  • Wie ist dein Fundament ausgestattet?
  • Welche Risse hat das Fundament?
  • Welche Bewältigungsstrategien können sich als Folgen von VUCA in ein Unternehmen etablieren?
  • Hast du tragfähige Beziehungen in deinem Unternehmen für stürmische Zeiten?
  • Haben eingeführte Methoden und Tools Bezug zum Fundament?
  • Was war deine letzte Erfahrung zur Gießkannen-Interventionen?
  • Welche kritischen Gedanken über Interventionen hast du dir bereits gemacht?
  • Was ist deine Vision?
  • Ist deine Vision für VUCA ausgestattet?
  • Welche Werte tragen meine Gemeinschaft / Team / Leader:innen?
  • Gibt es ein kongruentes Zusammenspiel von Vision / Mission / Werte / Strategie / Kommunikation?
  • Wie viele brummende Trends hast du einfach mal gemacht, um sie auch zu machen?
  • Prognostizierst du noch oder gestaltest du schon die Zukunft?
  • Hast du unabhängige Feedbackgeber:innen und Beobachter:innen an Bord?

Das sind zu viele Fragen für dich allein? Kein Problem, wir können es zusammen beantworten und ein Format nach deinen Vorstellungen wählen. Das Wie im Wir ist schließlich keine Einzelveranstaltung.

Quellen

[1]

Markt- und Medienforschungsinstituts rheingold https://www.rheingold-marktforschung.de/zukunftsstudie-2021-wie-deutsche-in-die-zukunft-blicken-2/ aufgerufen am 12.09.2022.

[2]

Johansen, Bob: Full-Spectrum Thinking : How to Escape Boxes in a Post-Categorical Future. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers, 2020.

[3]

Bachmann, T., Möller, H. Psychologische Sicherheit als Voraussetzung für Innovativität und Flexibilität in Teams und Organisationen. Organisationsberat Superv Coach 28, 299–302 (2021).

[4]

Die Maslowsche Bedürfnishierarchie, bekannt als Bedürfnispyramide, ist ein sozialpsychologisches Modell des US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow (1908–1970). Es beschreibt auf vereinfachende Art und Weise menschliche Bedürfnisse und Motivationen (in einer hierarchischen Struktur) und versucht, diese zu erklären.

[5]

Grafik von Nicole Clemens

[6]

https://www.journal21.ch/artikel/kultur-der-ambiguitaet aufgerufen am 12.09.2022.

[7]

Research & Development

[8]

Johansen, Bob: Get There Early : Sensing the Future to Compete in the Present. San Francisco: Berrett-Koehler Publishers, 2007.

von Nicole Clemens (M. Sc.)
Wirtschaftspsychologin (M. Sc.) und gepr. Wirtschaftsfachwirtin (IHK)

Nach vielen Jahren in der IT-Branche kam die Autorin in der Wirtschaftspsychologie an. Hier kann sie im Changemanagement, der Führungskräfteentwicklung und für den Culture-Shift ihre wertvollen Erfahrungen aus beiden Welten optimal einsetzen. Denn Digitalisierungsthemen sind auch Kultur- und Führungsthemen. Eine Professionalisierung für diese Themen hilft den Herausforderungen der VUCA-Welt stabil zu begegnen und den Erfolg von Unternehmen maßgeblich beeinflussen. Ihr Schwerpunkt ist die Personal- und Organisationsentwicklung, hier liegt der Autorin besonders die ganzheitliche Betrachtung am Herzen, um fachlich-gute Konzepte auch in eine im alltag-lebbare Form zu bringen, damit diese Änderungen Früchte tragen können. Zudem engagiert sie sich in der Fachgruppe New Work des BDP.

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